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Interview

«Die Schule ist kein Ort, um Werbung zu machen»

Swissmilk darf, was sonst unvorstellbar wäre: an Schulen werben. Ein politischer Vorstoss will nun Swissmilk aus den Berner Schulen verbannen. Ein Interview von Tobias Sennhauser (TIF) mit Stadträtin Eva Gammenthaler (Alternative Linke).

Text: Tier im Fokus (TIF)

TOBIAS SENNHAUSER: Was stört dich an der Präsenz von Swissmilk an den Schulen?
EVA GAMMENTHALER: Mich stört die Zusammenarbeit zwischen der Stadt Bern und Swissmilk grundsätzlich. Die Stadt Bern stellt Swissmilk die Schulen als Werbeplattform zur Verfügung, nämlich durch Aktionen wie «Znünibox» oder «Pausenmilch». Aus meiner Sicht ist die Schule kein Ort, um Werbung zu machen. Würde es sich nicht um Milchproduzent*innen, sondern um die Pharmaindustrie handeln, wären wohl mehr mit mir einig, dass ein Produktplacement an Schulen nicht in Frage kommt.

Zudem hat die Stadt Bern letztes Jahr den Klimanotstand ausgerufen.
Allerdings. Daher sollte an den Schulen dringend über die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Lebensmittelproduktion und Klimawandel gesprochen werden. Dabei muss die Stadt Bern aus meiner Sicht allem voran Inhalte vermitteln, welche die negativen Auswirkungen der Milch- und Fleischproduktion auf das Klima erklären. Mit der «Znünibox» bewirkt die Stadt Bern jedoch das Gegenteil: Sie macht Werbung für ein klimaschädliches Produkt, das erst noch in einer billigen Plastikbox daherkommt.

Swissmilk sagt, man verkaufe keine Produkte und mache deshalb keine Werbung. Was sagst du dazu?
Mich stört grundsätzlich, wenn Firmen oder Lobbyorganisationen an Schulen aktiv sind. Auch wenn Swissmilk selber keine Produkte verkauft, vertritt sie als nationale Dachorganisation die Interessen und Anliegen der Schweizer Milchproduzent*innen. Klar, sie vertritt keine Marke an sich, jedoch vermarktet sie Milch- und Milchprodukte und betreibt somit auch Werbung. Wenn Schulen an Aktionen teilnehmen und die «Znünibox» sowie mitgelieferte Broschüren von Swissmilk verteilen, wird die Schule als Werbeplattform für ein Produkt missbraucht.

Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) empfiehlt, drei Milchportionen pro Tag zu konsumieren. Müsste mensch nicht dort ansetzen?
Ja, genau! Durch die mitgelieferten Werbebroschüren zu Milchprodukten und Ernährung wird den Kindern und Jugendlichen an den Schulen vermittelt, dass Milchprodukte für eine ausgewogene und gesunde Ernährung wichtig sind. Vertreter*innen der Stadt verweisen dabei häufig auf die Empfehlung der SGE. Dieser möchte ich vehement widersprechen: Auch ohne Milchprodukte kann sich ein Kind gesund und ausgewogen ernähren. An den Berner Schulen sollte vielmehr die unterschiedlichen Ernährungsformen gleichermassen thematisiert werden.

Wir müssten tatsächlich bei den Empfehlungen der SGE ansetzen. Schauen wir uns die Gönner*innen ebendieser Gesellschaft an, muss die Unabhängigkeit der gemachten Aussagen bezweifelt werden: Neben den Schweizer Milchproduzent*innen (Swissmilk) finden sich dort auch Nestlé, Danone oder Emmi.

Wie stehen die Chancen für deine Motion im Berner Stadtparlament?
Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Im Berner Stadtrat läuft alles eher langsam und es kann durchaus sein, dass die Motion erst in ein paar Jahren traktandiert wird. Da im Herbst Wahlen stattfinden, kann ich die politischen Verhältnisse der kommenden Jahre schlecht abschätzen. Ich bin jedoch fest davon überzeugt, dass eine Stadt die sich als rot-grün bezeichnet und den Klimanotstand ausgerufen hat, eine solche Motion nicht einfach ablehnen kann. Ich bin also zuversichtlich.

Eva Gammenthaler arbeitet als Gassenarbeiterin und Politologin. Seit 2019 sitzt sie für die Alternative Linke (AL) im Berner Stadtrat. Neben ihrem Engagement gegen Swissmilk reichte sie auch einen Vorstoss zu Speziesismus ein. TIF unterstützt deshalb die AL in den anstehenden Berner Wahlen.

 

 

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