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Abstimmung

Die Schweiz sagt Ja zur Massentierhaltung

Die Schweizer Stimmbevölkerung hat die Initiative gegen Massentierhaltung mit 63 Prozent abgelehnt. Für Millionen Tiere in dunklen, dreckigen Ställen ist es ein trauriges Resultat. Doch die Initiative bewirkte auch Gutes.

Text: Tier im Fokus (TIF)

Seit über 10 Jahren decken wir Missstände in der Schweizer Massentierhaltung auf. Plötzlich redete die ganze Schweiz über das Leid sogenannter Nutztiere – wochenlang. Möglich machte es die Initiative gegen Massentierhaltung von Sentience.

Daumendrücken zur Unterstützung reichte uns nicht. Bereits als die Initiative vor rund 6 Jahren lanciert wurde, standen wir in regem Austausch mit den Initiant*innen. Auch während der Unterschriftensammlung legten wir uns ins Zeug, einzelne TIF-Aktivist*innen steuerten gar über 1000 Unterschriften bei. 

Im Abstimmungsjahr legten wir noch eine Schippe drauf und lancierten unsere Kampagne «Offensive gegen Massentierhaltung». Im Abstimmungskampf organisierten wir fast wöchentlich Mahnwachen, Flyeraktionen oder verteilen Briefe in Zürich, Bern und Thun. Dabei arbeiteten wir mit verschiedenen Regionalgruppen der Initiative gegen Massentierhaltung zusammen. Derweil erschien jede Woche eine neue Folge in unserem Podcast «Tier & Haltung».

Ausserdem lancierten wir in Bern eine Plakatkampagne mit realistischen Fotos aus der Schweizer Massentierhaltung. Finanziert wurde das Projekt mit einem Crowdfunding, das doppelt so viele Einnahmen wie erwartet generierte.

Wie erfolgreich unsere Kampagne war, zeigt sich in der gesamtschweizerischen Auswertung des Bundes. Mit 66.1 Prozent Ja-Stimmen weist die Stadt Bern mit Abstand das beste Resultat in der Schweiz vor. Also just jene Gemeinde, wo die meisten unserer Aktivitäten stattfanden.

Mit Bildern politisieren

Ferner unterstützten wir die Initiative mit unseren Recherchen aus der Schweizer Massentierhaltung. Bereits mit unserer Kampagne Arme Schweine (2020) wurde die Initiative in einem Schwerpunkt im Kassensturz diskutiert. Auch unsere Oster-Kampagne Eier-Leier (2022) sowie unsere jüngste Enthüllung Optiqual (2022), publiziert jeweils von der SonntagsZeitung, verwiesen explizit auf die Initiative gegen Massentierhaltung. 

Besonders die Optiqual-Kampagne brachte die Fleischlobby arg in Bedrängnis. Nach der Publikation der Missstände in einer Walliser Aufzucht wollten sich verschiedene Medienschaffende selbst ein Bild machen. Doch bei der zuständigen Migros bissen sie auf Granit: Die in der Werbung so kommunikative Detailhändlerin hüllte sich in eisernes Schweigen und verwehrte den Medienschaffenden den Zutritt zu ihren Stallungen. So entstanden zahlreiche Artikel, die die Fleischlobby in ein schiefes Licht rückten, etwa auf Watson oder in der SonntagsZeitung

Unsere mediale Präsenz zeigt sich in der Auswertung der Berichterstattung: Mit 30 Prozent der Medienartikeln haben NGOs den Abstimmungskampf dominiert, so das Agrarmagazin «die grüne». Zum Vergleich: Der gefühlt omnipräsente Bauernverband kam nur gerade auf 11 Prozent. 

Trotzdem erfolgreich

Mit der Niederlage war leider zu rechnen. Der übermächtige Bauernverband gewinnt seit Jahren jede Abstimmung (Ausnahme: das Referendum zum Jagdgesetz). Dazu mobilisiert er mitunter mit grenzwertigen Mitteln. Die Agrarpresse nutzt er etwa zur Meinungsbildung der eigenen Reihen, kritische Artikel gibt es dort so gut wie keine. Und wenn doch, werden sie mitunter postwendend wieder gelöscht, wie Nationalrat und Biobauer Kilian Baumann auf Twitter kritisiert. In einem umfangreichen Artikel haben wir die Blockade-Politik des Bauernverbandes analysiert.

Politisch ist die Niederlage mit der Abstimmung besiegelt. Als Bewegung dürften wir jedoch dennoch profitiert haben. Wochenlang berichteten unzählige Medien kritisch zur Schweizer Nutztierhaltung. Das dürfte tausende Konsumierende verschreckt haben. Ausserdem rekrutierte die Initiative unzählige neue Aktivist*innen, die sich hoffentlich auch künftig für die Tiere einsetzen werden. Die wachsende Unterstützung ist für jede soziale Bewegung von zentraler Bedeutung, schreiben die Autoren von «This is an Uprising».

Wir bleiben dran!

Für uns geht die grösste Kampagne in der Vereinsgeschichte zu Ende, und das, obwohl wir die Initiative nicht selber lanciert haben. Hinter unserer Kampagne standen unzählige Aktivist*innen, die für die Rechte der Tiere kämpfen. Das ist in unserer viel beschäftigten Welt alles andere als selbstverständlich. Ihnen gilt unser riesiges Dankeschön! 

Die Niederlage ist für uns freilich kein Grund, Trübsal zu blasen. Bereits haben wir neue Projekte und Kampagnen im Köcher. Nach dem Nein zur Initiative gegen Massentierhaltung brauchen die Tiere umso dringender unseren Support. Sei dabei und unterstütze uns als Mitglied, mit einer Spende oder aktiv! Herzlichen Dank!

Beteilige dich an der Diskussion

6 Kommentare

Irgendeiner
vor 1 Jahr

>“ Der übermächtige Bauernverband gewinnt seit Jahren jede Abstimmung“

Das stimmt nicht. Und ich finde es sehr schade, dass diese Initiative aus ideologischen Gründen über das Ziel hinausgeschossen hat und sich damit überhaupt nicht gelohnt hat.

Macht doch endlich eine vernünftige Initiative, welche die schlimmen Sachen verbietet aber sonst praktikabel ist.

Doris
vor 1 Jahr

Euer Kampf ist richtig und sehr wichtig. Schade, dass die Initiative abgelehnt wurde. Andererseits denke ich aber, dass die bestehenden Gesetze schon gar nicht so schlecht wären, wenn sie nur richtig und konsequent umgesetzt würden. Die Kontrollen der Tierhaltung beispielsweise: Warum finden diese nur alle paar Jahre statt und werden auch noch vorangekündigt? Die zuständigen Personen müssten viel härter beurteilen und durchgreifen.

Peter Schneider
vor 1 Jahr

Vielen Dank für euren riesigen Einsatz! Trotz der Niederlage hat sich der Kampf für die geschundenen Tiere gelohnt und vielen Menschen die Augen geöffnet. Die Zeit ist leider noch nicht reif, dass eine Mehrheit bereit wäre, das Elend der „Nutztiere“ zu beenden. Unser persönliches Beispiel und unsere Ausdauer werden jedoch gewinnen!

regula hess
vor 1 Jahr

SKANDALE ET HONTE !!!!! STOP STOP STOP merci

Ludger
vor 1 Jahr

Gebt den Tieren ein lebenswertes Leben!

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