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Essay

Tierbefreiung geht auch ohne Marx

Die Kritik am Kapitalismus ist in der Tierrechtsbewegung omnipräsent. Doch von Karl Marx und Friedrich Engels dürfen die Tiere nicht zu viel erwarten. Ein Essay von Hans W. Schill mit Illustrationen von David Fürst.

Text: Tier im Fokus (TIF)

Karl Marx hatte für die Tiere wenig übrig | Illustration: David Fürst

65 Milliarden Tiere werden pro Jahr in den Schlachthöfen der Welt getötet. [1] 65 Milliarden – eine Zahl, die einen taumeln lässt. Offensichtlich ist: Dieses ungeheuerliche Ausmass ist dem kapitalistischen Wirtschaftssystem geschuldet; dieses hat das Leid der Tiere seit dem späten 19. Jahrhundert in einem zunehmend monströsen, zuvor nicht vorstellbaren Umfang gesteigert: Ohne Industrialisierung und Profit-Maxime keine Tierfabriken, wie wir sie heute kennen. Der Kapitalismus entwickelt eine gewaltige Kraft darin, alles zur Ware zu machen – dies ist augenscheinlich und dies hat Karl Marx in der ökonomischen Analyse seines Hauptwerks Das Kapital (1867) fulminant gezeigt – und das Tier ist in dieser Logik einfach eine Ware unter vielen.

Müsste die Tierbefreiungsbewegung sich also vermehrt auf eine Kritik des Kapitalismus ausrichten? Muss erst das kapitalistische Wirtschaftssystem überwunden werden, bevor Tiere zu ihren Rechten kommen können? Und was haben Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895), die beiden kommunistischen Vordenker, eigentlich zu Tieren gesagt? Dies sind die Fragen, die ich im vorliegenden Text etwas näher betrachten möchte – die Antworten werden skeptisch ausfallen, soviel sei vorausgeschickt.

Ich beginne mit der letzten Frage. Stöbert mensch ein wenig in ihren umfangreichen Schriften, wird ziemlich schnell klar: Marx und Engels haben keine fortschrittliche Position zu Tieren vertreten: Einerseits beharren sie völlig traditionell auf einem grundlegenden Unterschied zwischen Mensch und ‹dem Tier›, behaupten also, es gebe den Menschen auf der einen Seite und von ihm wesentlich getrennt, jenseits einer unüberschreitbaren Grenze, alle übrigen Tiere. In der europäischen Philosophiegeschichte hat diese Unterscheidung – auch anthropologische Differenz genannt [2] – eine jahrtausendealte Tradition; ohne jede weitere Differenzierung werden dabei sämtliche nicht-menschlichen Tiere dem Menschen gegenübergestellt, jedes Tier, von der Feilenmuschel bis zum Amazonasdelfin, vom Bärentierchen bis zum Waldelefanten, vom Regenwurm bis zum Cross-River-Gorilla. Und in diese philosophische Beschränktheit reihen sich Marx/Engels ohne jedes Zögern ein – nur wird statt Sprache oder Denken bei ihnen nun die Arbeit zum spezifischen Unterscheidungsmerkmal erkoren: «Der erste geschichtliche Akt dieser Individuen [der ersten Menschen], wodurch sie sich von den Tieren unterscheiden, ist nicht, dass sie denken, sondern, dass sie anfangen, ihre Lebensmittel zu produzieren» [3], schreibt 1845 bereits der junge Marx.

Diese Position – die Arbeit als anthropologische Differenz – scheint sich in ihren Schriften bis zum Schluss zu halten; so betont Friedrich Engels noch dreissig Jahre später das Gewicht, welches der menschlichen Arbeit bei der «Erhebung» des Menschen «über das Tier» zukomme: «Kurz, das Tier benutzt die äußere Natur bloß und bringt Änderungen in ihr einfach durch seine Anwesenheit zustande; der Mensch macht sie durch seine Änderungen seinen Zwecken dienstbar, beherrscht sie. Und das ist der letzte, wesentliche Unterschied des Menschen von den übrigen Tieren, und es ist wieder die Arbeit, die diesen Unterschied bewirkt.» [4]

Obwohl Marx und Engels die europäische Philosophie materialistisch «vom Kopf auf die Füsse» stellen wollen, verharren sie bezüglich Tieren also auf einer altbekannten Position; sie variieren diese bloss dahin, dass sie zur bereits unüberschaubar langen Reihe von vermeintlich grundsätzlichen Unterschieden – Sprache, Vernunft, Hand, aufrechter Gang, Politik, Technik, Religion, Unsterblichkeit, Tauschhandel, Moral und viele mehr werden in der Philosophiegeschichte aufgeboten – einen weiteren hinzufügen: die Arbeit.

Der schottische Anthropologe Nick Fiddes sagt treffend: «Das abendländische Denken wird geradezu magnetisch von der Suche nach einem Merkmal angezogen, das uns in unserer Einzigartigkeit vom Rest der Schöpfung unterscheidet.» [5] Dies gilt auch für Marx und Engels. Was nicht nur überrascht, weil der Marxismus stark vom Gestus einer Überwindung aller bisheriger Philosophie lebt – mensch denke etwa an Marx’ berühmtes Diktum aus den Thesen über Feuerbach: «Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an sie zu verändern[6] Sondern auch, weil zumindest Engels ein begeisterter Anhänger von Darwins Evolutionstheorie war – und diese eine grundlegende Differenz zwischen dem Menschen und allen anderen Tieren eigentlich verunmöglicht (nicht umsonst schreibt er ja «von den übrigen Tieren»). [7]

Tiere im Kommunismus

Andererseits scheint auch die kommende kommunistische Gesellschaft nicht besonders vegan zu sein, führt Marx doch sein bekanntes freiheitliches Grundprinzip – «jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen» – wie folgt aus: Während im Kapitalismus Zwang zur Lohnarbeit und unmenschliche Spezialisierung herrschen, wird es im Kommunismus keine Arbeitsteilung mehr geben, keinen Beruf im heutigen Sinne mehr. Sondern es wird allen Menschen möglich sein, «heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.» [8] Dass der Kommunismus auch die Befreiung der Tiere im Blick haben könnte, scheint also eher unwahrscheinlich. Vielmehr betont Engels in Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft (1880) sogar, wie die kommunistische Gesellschaft erst recht den Menschen vom Tier scheiden werde: «Damit erst scheidet der Mensch […] endgültig aus dem Tierreich, tritt aus tierischen Daseinsbedingungen in wirklich menschliche.» [9]

Und tatsächlich: Der Status von Tieren in den Ländern des sogenannt ‹real existierenden Sozialismus› (Ostblock, Kuba, China, Nordkorea etc.) war bzw. ist in keinerlei Weise besser als im kapitalistischen Westen: Die DDR etwa führte ihr erstes Tierschutzgesetz notabene im Oktober 1989 ein – einen Monat später fiel die Mauer. Und in einem Land wie China, das sich immer noch als kommunistisch versteht, werden Marderhunde für ihr Fell auf grausamste Weise zu Tode geprügelt und kleine Diamantschildkröten lebend als Schlüsselanhänger verkauft.

In diesen Ländern herrsche aber doch keineswegs ein Kommunismus im marxschen Sinne, werden nun Apologet*innen ausrufen – zugestanden! Jedoch hegen Marx/Engels grosse Bewunderung für die «kolossalen Produktionskräfte» der Industrialisierung im 19. Jahrhundert: «Unterjochung der Naturkräfte, Maschinerie, Anwendung der Chemie auf Industrie und Ackerbau […], Urbarmachung ganzer Weltteile, Schiffbarmachung der Flüsse, ganze aus dem Boden hervorgestampfte Bevölkerungen – welches frühere Jahrhundert ahnte, dass solche Produktionskräfte im Schoss der gesellschaftlichen Arbeit schlummerten.» [10] Dass sich an diesem rationalistisch-ausbeuterischen und durchwegs anthropozentrischen Zugang zu Natur und Tieren in einer kommunistischen Gesellschaftsordnung etwas ändern könnte oder müsste, ist für Marx und Engels nirgends ein Thema. [11]

Im Gegenteil versprechen sich die beiden von fortschreitender Naturbeherrschung durch Mechanisierung und Naturwissenschaften auch eine zunehmende Befreiung des Menschen. [12] Die Natur wird unter dem Kriterium der «Nützlichkeit» betrachtet, sie ist blosses Objekt, die es – «sei es als Gegenstand des Konsums, sei es als Mittel der Produktion» [13] – zu unterwerfen gilt.

In Marx’ Hauptwerk Das Kapital tauchen Tiere denn auch ausschliesslich als «Arbeitsgegenstände» (z.B. Fische in Gewässern), «Rohmaterial» (z.B. Wolle), «Arbeitsmittel» (z.B. Zugpferde) oder «Produkt» (z.B. Rinder in der Mast) auf. [14] Nicht der Raubbau an Natur und Tieren in den kapitalistischen Produktionsverhältnissen ist für Marx/Engels das Problem – denn Zweck aller Produktion ist der Mensch und sein «Reichtum». Was die beiden am Kapitalismus stört, ist einzig die ungleiche Verteilung dieses Reichtums resp. die Ausbeutung des Proletariats. Ziel bleibt auch im Kommunismus: «Die volle Entwicklung der menschlichen Herrschaft über die Naturkräfte». [15]

Erstaunlich: Bei aller Kritik des bürgerlich-kapitalistischen Systems und bei aller emanzipatorischen, revolutionären Kraft ihres Denkens gelingt es Marx und Engels an keiner Stelle, auch die radikal ausgebeuteten Tiere in den Blick zu bekommen.

Verhöhnung von Tierschutz und Vegetarismus

Dazu passt, dass die beiden sich explizit lustig machen über die zeitgenössischen Anfänge des Tierschutzes, den sie flugs als bürgerliches (und damit verlogenes) Mitleidsgebaren abtun: Im Kommunistischen Manifest von 1848 werden die «Abschaffer der Tierquälerei» abschätzig zum «Bourgeoisiesozialismus» gerechnet, einer Richtung, die «wünscht den sozialen Missständen abzuhelfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern.» [16] (Der klassische Reformismus-Vorwurf also.) Engels wendet sich sogar ausdrücklich gegen die «Herren Vegetarianer», die leider vergessen würden, wie entscheidend das Essen von Fleisch zur Evolution des menschlichen Gehirns beigetragen habe – und wiederholt damit den naturalistischen Fehlschluss, den mensch als Veganer*in bis heute oft zu hören bekommt. [17]

Ökonomische Basis und ideeller Überbau

Dies alles scheint doch ziemlich ernüchternd. Was also könnte eine marxistische Analyse zur Tierbefreiungsbewegung heute noch beitragen?

Bekanntlich gibt es linke Tierrechtsgruppen und -theoretiker*innen, die sich explizit auf Marx/Engels berufen. Dabei wird nicht nur auf das wahnwitzige Ausmass des Tierleids in kapitalistischen Verhältnissen hingewiesen, sondern ein fundamentaler Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Tierausbeutung behauptet: Der Kapitalismus sei eine Klassengesellschaft und damit ein Herrschaftssystem, die Ausbeutung von Tieren unlösbar verstrickt mit der Ausbeutung des Menschen. Nur wenn kapitalistische Produktionsverhältnisse grundsätzlich überwunden würden, könne sich an der Mensch-Tier-Hierarchie etwas ändern. [18]

Der modernen Tierethik (Singer, Regan, Midgley, Francione, Gruen etc.) wird dabei vorgeworfen, sie verkenne diesen Zusammenhang, überlasse den Anti-Speziesismus dem persönlichen moralischen Handeln und entlarve sich damit als bürgerlich. Der italienische Marxist Marco Maurizi sagt etwa: «Die antispeziesistische Praxis, die sich auf die Konsumsphäre beschränkt – der Veganismus –, wiederholt die Pseudo-Aktivität jeder ethischen Kritik des Kapitalismus; sie ignoriert das politische Problem der Produktionsverhältnisse, weshalb die Strukturen des Kapitals ungestört bleiben.» [19]

Den Grundfehler des ethischen Anti-Speziesismus erkennen marxistische Theoretiker*innen also darin, dass dieser einen Bewusstseinswandel in den Köpfen der einzelnen Menschen anstrebe, statt ‹materialistisch› die Bedingungen von Produktion und Reproduktion zu verändern. Denn Bewusstsein (im Sinne von Vorstellungen, Meinungen, Ideologien) ist im marxistischen Denken etwas Sekundäres, Abgeleitetes – in der folgenden bekannten Formel von Marx auf den Punkt gebracht: «Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.» [20] Und unter dem «Sein» versteht der Marxismus eben die jeweiligen historischen Produktionsverhältnisse (also unter welchen Voraussetzungen, Umständen und mit welchen Mitteln die Menschen in der jeweiligen geschichtlichen Epoche arbeiten). Deswegen reiche es nicht aus – vielmehr sei es unmöglich! – die Befreiung der Tiere anzustreben, ohne das Wirtschaftssystem fundamental zu verändern, d.h. den Kapitalismus abzuschaffen.

Selbsterzeugung des Menschen

Diese Sichtweise scheint mir aus unterschiedlichen Gründen zweifelhaft. Zunächst nochmals eine Stelle von Marx zum grundsätzlichen Mensch-Tier-Unterschied aus der Deutschen Ideologie von 1845: «Man kann die Menschen durch das Bewusstsein, durch die Religion, durch was man sonst will, von den Tieren unterscheiden. Sie selbst fangen an, sich von den Tieren zu unterscheiden, sobald sie anfangen, ihre Lebensmittel zu produzieren […]. Indem die Menschen ihre Lebensmittel produzieren, produzieren sie indirekt ihr materielles Leben selbst.» [21]

Nach Marx’ und Engels’ ‹historisch-materialistischer› Denkart macht sich der Mensch selber zum Menschen und scheidet sich vom ‹Tier›, indem er anfängt, seine Lebensmittel – im umfassenden Sinne von Mittel zum Leben, also Nahrung, aber auch Wohnung, Werkzeuge, Kleidung, Waffen etc. – selber herzustellen. [22] Es gibt eine «Selbsterzeugung des Menschen», und es ist die freie produktive Arbeit, die den spezifischen Unterschied zum ‹Tier› ausmacht: «Das produktive Leben ist aber das Gattungsleben. […] In der Art der Lebenstätigkeit liegt der ganze Charakter einer species, ihr Gattungscharakter, und die freie bewusste Tätigkeit ist der Gattungscharakter des Menschen.» [23]

Die Mensch-Tier-Differenz ist also vom Menschen geschichtlich selber hergestellt, der Mensch hat sich weder einfach biologisch-evolutionär zu einem ‹höheren Wesen› entwickelt noch ist er quasi-göttlich, mit einer unsterblichen Seele ausgestattet, vom Himmel gefallen. Sondern die Entwicklung von menschlichem Körper und Geist wurde durch seine Art zu leben – also durch die Arbeit – wechselseitig (Marx und Engels würden sagen ‹dialektisch›) beeinflusst. Die Arbeit «ist die erste Grundbedingung alles menschlichen Lebens, und zwar in einem solchen Grade, dass wir in gewissem Sinn sagen müssen: Sie hat den Menschen selbst geschaffen.» [24]

Marxistischer Anti-Speziesismus?

Marxistische Theoretiker*innen wie Matthias Rude oder Marco Maurizi versuchen diese Position nun für den Anti-Speziesismus fruchtbar zu machen, indem sie interpretieren, dass es nicht zuerst eine speziesistische Ideologie und als Folge die Ausbeutung der Tiere gegeben habe, sondern umgekehrt zuerst die Ausbeutung der Tiere (etwa in der Domestikation) und dann die menschliche Selbstüberhöhung: «Weil der Mensch angefangen hat, Natur zu beherrschen, hat er sie herabgewürdigt. Die Voraussetzung für Speziesismus, Sexismus und Rassismus sind die Umstände, welche zur Entstehung jener Anschauung geführt haben» [25]. Deswegen sei die herrschaftliche Position des Menschen marxistisch gedacht nicht in Stein gemeisselt, quasi keine wesentliche Eigenschaft, sondern eben Resultat eines historischen Prozesses und daher veränderbar. Änderten sich die Umstände hin zu einer herrschaftsfreien Gesellschaft, höre auch die Tierausbeutung quasi automatisch auf und erfolge schliesslich das Verschwinden der speziesistischen Gesinnung. Wenn auch nicht ausdrücklich, so doch implizit hätten Marx und Engels damit eine anti-speziesistische Position vertreten.

Dies scheint mir jedoch ein Fehlschluss, denn Marx/Engels meinen ja durchaus nicht, dass sich der Mensch nur im Bewusstsein von allen anderen Tieren unterscheidet, sondern eben durch seine Praxis (die produktive Arbeit) eine tatsächliche grundlegende Differenz in seinem ‹Wesen› herstellt. Der Mensch, «der wahre, weil wirkliche Mensch» [26] ist ein höheres Wesen, er hat sich selbst geschichtlich dazu gemacht, und der Speziesismus wäre daher für Marx und Engels die angemessene Denkweise (kein falsches Bewusstsein) – zumindest Marx trägt hier ein deutlich idealistisches Erbe; dass der Mensch nur ein Tier unter anderen Tieren sein soll, hätte er zurückgewiesen. [27]

Ich möchte dennoch für einen Moment bei dieser Sicht verweilen. Marco Maurizi formuliert sie so: «Wir beuten Tiere nicht aus, weil wir sie für niedriger halten, sondern wir halten Tiere für niedriger, weil wir sie ausbeuten.» [28] Das ist prägnant gesprochen und im ersten Moment einleuchtend. Nur: Wenn die Ursprünge des Speziesismus in der neolithischen Revolution liegen, also im jungsteinzeitlichen Übergang zu Ackerbau, Viehzucht und Sesshaftigkeit (wie Maurizi behauptet [29]) – aus welchem Selbstverständnis kamen die Menschen dazu, Tiere zu domestizieren? Schliesslich haben Schafe, Hunde, Kühe, Pferde etc. sich nicht freiwillig in menschliche Gefangenschaft begeben und sich zu ‹Nutztieren› gemacht, sondern mussten dazu in einem aggressiven, mühseligen und langwierigen Prozess gezwungen werden. [30] Wie sollte dies gelingen, ohne die Überzeugung, der Mensch sei dazu berechtigt? Hatten die Menschen vielleicht doch schon als Jäger*innen und Sammler*innen ein Bewusstsein ihrer (vermeintlichen) Einzigartigkeit? Woher hätte dieses aber nach marxistischer Denkweise kommen sollen? Aus der Praxis des Jagens und Tötens? Dies würde das Problem nur nach hinten verschieben und zwar ad infinitum. [31]

Noch problematischer wird es, wenn generell behauptet wird, alle Ausbeutung der Tiere sei dem Kapitalismus geschuldet und der Speziesismus also «bürgerlich» (so etwa das Bündnis Tierbefreiung und Marxismus in seinem Thesenpapier [32]). Dies scheint mir historisch schlicht falsch: War die Stellung der Tiere in archaischen, antiken oder mittelalterlichen Gesellschaften besser? Der griechische Philosoph Aristoteles betont, wie die Tiere um der Menschen willen geschaffen worden seien, «zur Nahrung und anderen nützlichen Diensten, damit aus ihnen Kleider und anderes, wie Werkzeuge, verfertigt werden.» Und im Alten Testament spricht Gott zu Noah: «Furcht und Schrecken vor euch sei über allen Tieren auf Erden und über allen Vögeln unter dem Himmel, über allem, was auf dem Erdboden wimmelt, und über allen Fischen im Meer; in eure Hände seien sie gegeben.» Wie liesse sich solches Bewusstsein (um marxistisch zu sprechen) erklären, wenn doch offensichtlich die Antike eine agrarische (also nicht-kapitalistische) Gesellschaftsform war?

Überhaupt: Die Trennung von Sein (Arbeit) und Bewusstsein (Ideen) ist kaum zu halten. Dieses Modell – im traditionellen marxistischen Denken auch das Basis-Überbau-Modell genannt – führt zu logischen Widersprüchen, und schon Marx und Engels ringen damit. [33]

Dass die Arbeit/das Ökonomische eine materielle «Basis» bilden soll, auf der sich je nach Epoche ein religiöser, philosophischer, politischer, ideologischer «Überbau» erhebt, ist nichts weiter als ein sprachliches Bild und eine unzulässige Vereinfachung; zudem ein Anachronismus, längst abgelöst durch ungleich komplexere soziologische und philosophische Ansätze (mensch denke etwa an die Diskursanalyse von Foucault, die Systemtheorie von Luhman, den kultursoziologischen Ansatz von Bourdieu, die Gender-Studies von Butler… to name just a few. Diese allesamt als ‹bürgerlich› abzutun, scheint mir vermessen [34]).

Etwas simpler formuliert: Warum sollte Bewusstsein nicht einen ebenso grossen Einfluss auf die menschliche Wirklichkeit haben wie produktive Tätigkeiten? Vielmehr: Warum sollte Denken selbst keine produktive Tätigkeit sein?

Was bringt veganes Leben im Kapitalismus? | Illustration: David Fürst

Vegan im Kapitalismus

Zurück zum Elend der Tiere im Kapitalismus: Was also tun? Veganismus ist nach Maurizi ein «unbestimmter und diffuser Protest» und wie jeder Boykott innerhalb des kapitalistischen Systems zum Scheitern verurteilt.

Dies mag insofern richtig sein, als dass eine komplett vegane Welt tatsächlich in weiter Ferne ist. Dies kann m.E. aber nicht bedeuten, dass wir Tierbefreier*innen die Hände resigniert in den Schoss legen (und etwa darauf warten, dass das sog. Proletariat seine geschichtlich vorbestimmte Rolle endlich übernimmt und die Welt revolutionär zur Erlösung führt – das scheint mir mehr denn je abwegig). Veganismus ist vielleicht keine hinreichende, aber wie mir scheint eine notwendige Voraussetzung für die Befreiung der Tiere.

Die Kraft eines Bewusstseinswandels darf dabei nicht unterschätzt werden: Viele Veganer*innen empfinden ihren Boykott tierlicher Produkte keineswegs als hilflose, private Geste, sondern als einen ungemein befreienden, politischen Akt [35]. Denn ist es nicht absurd, aktiv gegen seine tiefsten Überzeugungen zu handeln? Wenn ich Kühe, Schweine, Schafe, Hühner, Gänse, Kaninchen… für empfindungsfähige Wesen mit eigenen Interessen halte (z.B. an Freiheit, Unversehrtheit und Leben), wenn ich überzeugt bin, dass (Wirbel-)Tiere Individuen, dass sie «Subjekte eines Lebens» [36] sind, warum sollte ich ihnen dann Leid zufügen, sie in Gefangenschaft halten oder sie gar töten? Dies scheint mir nach Common Sense nicht nachvollziehbar und könnte sogar psychische Defekte auslösen (auch bekannt unter dem Namen «Kognitive Dissonanz»).

Und nicht wenige Veganer*innen wurden durch die Lektüre der modernen Tierethik wie etwa Peter Singers Animal Liberation zu dieser Überzeugung gebracht und dazu veranlasst, ihre Lebensweise umzustellen. Letztlich ist es vielleicht ganz einfach: «Wenn wir mit unseren moralischen Überzeugungen ernst machen und unser Geld nicht weiter in wirtschaftliche Systeme stecken wollen, die unethisch arbeiten, sollten wir vegan leben und so weit wie möglich auf tierische Produkte verzichten.» [37]

Die Kraft eines Bewusstseinswandels beweisen nicht zuletzt auch andere emanzipatorische Bewegungen, die nach orthodox-marxistischer Denkweise im Kapitalismus ebenso hilflos sein müssten: Mensch denke etwa an die Abschaffung der Sklaverei, an die Frauenbewegung, an die sexuelle Befreiung seit 1968, an den Kampf von LGBTQ um gleiche Rechte etc.. Alle diese Bewegungen haben einen Wandel in den Köpfen der Menschen zur Voraussetzung, sind in keiner Weise apolitisch – und erwirk(t)en enorme Veränderungen innerhalb der kapitalistisch-liberalen Gesellschaft.

Ausserdem hat der Veganismus durchaus eine radikale Komponente: Die Kraft der veganen Lebensweise liegt vielleicht nicht so sehr im moralisch korrekten Konsum, sondern im Bruch mit dem Alltäglichen, in der Zurückweisung des absolut Selbstverständlichen – nämlich dem Glauben, dass die anderen Tiere für uns Menschen da seien, dass wir das Recht hätten, sie einzufangen, einzusperren, zu züchten, zu besamen, zu klonen, zu besitzen, zu verkaufen, zu dressieren, vorzuführen, zu misshandeln, zu jagen, zu töten. Dies betont auch der (marxistische!) Autor Fahim Amir: «Die utopischen Kräfte liegen in der Störung des Normalzustands, nicht in ihrer Normalisierung in Form von Veggieburger-Ketten. Veg* zu leben bedeutet, materiell und symbolisch mit den herrschenden Verhältnissen zu brechen.» [38]

Marx und Engels benötigen wir dafür jedoch nicht.

Fussnoten

[1] Nicht eingerechnet sind in diese schockierende Zahl Fische und Meerestiere, die nur in Tonnen gezählt werden können; ebenso nicht erjagte Tiere. (vgl. Sezgin 2014, 233)

[2] Der Begriff «anthropologische Differenz» wurde vom Schweizer Tierphilosophen Markus Wild eingeführt. Er versteht darunter den erwähnten fundamentalen Unterschied zwischen Mensch und Tier, den die europäische Philosophie seit ihren Anfängen in Griechenland festzulegen versucht. Die anthropologische Differenz will ein entscheidendes Merkmal bestimmen, das den Menschen von allen anderen Tieren abgrenzen soll und definiert damit letztlich, was das ‹Wesen› des Menschen ausmacht. Die anthropologische Differenz ist aber nicht nur ein theoretischer Begriff, sie prägt die menschliche Kultur, das Alltagsleben, unser Handeln fundamental: Die amerikanische Philosophin Cora Diamond weist darauf hin, wie wir die anthropologische Differenz täglich einüben – beim Essen von Fleisch! (vgl. Wild 2016)

[3] Deutsche Ideologie, MEW 3, 20

[4] Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen, MEW 20, 452

[5] Fiddes 1993, 68

[6] Thesen über Feuerbach, MEW 3, 7

[7] Allerdings hat nicht einmal Charles Darwin selbst aus seinen evolutionären Einsichten tierethische Konsequenzen abgeleitet, die über gewisse Tierschutzpflichten hinausgingen.

[8] Deutsche Ideologie, MEW 3, 33

[9] Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, MEW 19, 226. Diese Stelle lässt sich in einem ‹humanistischen› Sinne lesen, etwa: Der Mensch kommt erst ganz zu sich, lässt die Entfremdung von sich selbst hinter (oder unter) sich, wird erst wirklich human in einer freiheitlich-kommunistischen Gesellschaft. Sie ist daher wohl nicht explizit als Erhebung über die realen nicht-menschlichen Tiere gedacht, sondern «das Tierreich» dient quasi als Folie, von der sich die zu verwirklichende humane Gesellschaft abheben soll. Solche Wortwahl findet sich bereits beim jungen Marx zuhauf: Das Proletariat fühlt sich in der «entfremdeten Arbeit» der Fabrik «nur mehr als Tier», das Unmenschliche des Kapitalismus degradiert die Arbeiter*innen, sie vegetieren, werden reduziert auf ihre grundsätzlichsten (eben «tierischen») Bedürfnisse. «Das Tierische wird das Menschliche und das Menschliche das Tierische.» (MEW 40, 514f.) Erst im Kommunismus ist der Mensch schliesslich der «menschliche Mensch». Dennoch: Dass «das Tierische» oder «das Tierreich» etwas Niederes darstellt, aus dem sich der Mensch befreien muss, will er wirklich und wahrhaftig Mensch werden, liegt solcher Begrifflichkeit wie selbstverständlich zugrunde.

[10] Manifest der Kommunistischen Partei, MEW 4, 467

[11] Es soll nicht verschwiegen werden, dass es beim späten Engels eine gewisse Aufmerksamkeit gibt für die problematischen ökologischen «Nachwirkungen unserer Eingriffe in den herkömmlichen Gang der Natur»; ein ungebrochener Glaube an die Fortschritte der Wissenschaften lassen solche Folgen für ihn jedoch letztlich als zu bewältigende erscheinen, die Menschen würden «mehr und mehr in den Stand gesetzt, auch die entfernteren natürlichen Nachwirkungen […] unsrer gewöhnlichsten Produktionshandlungen kennen und damit beherrschen zu lernen.» (MEW 20, 453)

[12] Vgl. dazu Mütherich 2000

[13] Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEW 42, 323

[14] Das Kapital, MEW 23, 194

[15] Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEW 42, 395

[16] Manifest der Kommunistischen Partei, MEW 4, 488

[17] Der naturalistische Fehlschluss besteht darin, dass von einer ‹natürlichen› Entwicklung auf deren moralische Richtigkeit geschlossen wird: Auch wenn es so wäre, dass das menschliche Gehirn sich ohne Fleisch nicht zur heutigen Grösse entwickelt hätte (was wissenschaftlich umstritten ist: Gebiss und Darmtrakt des Menschen sind nicht typisch für Fleischnahrung), würde dies nichts darüber aussagen, ob Fleischessen heute ethisch vertretbar ist.

[18] «Ein Ende der Tierausbeutung ist […] nur unter der Bedingung machbar, dass im Klassenkampf mit der kapitalistischen Produktionsweise gebrochen wird», sagt z.B. Christian Stache (Stache 2014, 5).

[19] Maurizi 2012, 42

[20] Zur Kritik der politischen Ökonomie, MEW 7, 9

[21] Deutsche Ideologie, MEW 3, 21

[22] «Das Tier bringt’s höchstens zum Sammeln, der Mensch produziert, er stellt Lebensmittel im weitesten Sinn des Worts dar [sic], die die Natur ohne ihn nicht produziert hätte», sagt Friedrich Engels anderswo (MEW 20, 565). Gibt es tatsächlich kein anderes Tier, das seine Mittel zum Leben selbst herstellt? Wie sieht es mit der Honig-Produktion von Bienen aus? Den Nestbauten von Vögeln? Der Werkzeugherstellung von Schimpansen? Die Schwierigkeit liegt wohl darin, zu definieren, was unter Produktion genau zu verstehen ist: Gilt dazu auch das Weiterverbreiten von Kernen und Samen über den Kot oder durch Vergraben? Das Trocknen-Lassen von Nüssen in der Sonne (was etwa Kapuzineräffchen tun)? Für alle diese Fälle gilt das Kriterium, das Engels anführt: Die ‹Natur› würde diese Lebensmittel ohne tierliches Zutun nicht produzieren. Braucht es also ein intentionales Bewusstsein bei der Herstellung? Wenn ja: Wäre dann nicht eher die menschliche Intention das Unterscheidungsmerkmal und nicht die Produktion selber? Eine Stelle aus Marx’ Ökonomisch-philosophischen Manuskripten bestätigt diese Vermutung: «Das praktische Erzeugen einer gegenständlichen Welt, die Bearbeitung der unorganischen Natur ist die Bewährung des Menschen als eines bewussten Gattungswesens, d.h. eines Wesens, das sich zu der Gattung als zu seinem eigenen Wesen oder zu sich als Gattungswesen verhält. Zwar produziert auch das Tier. Es baut sich ein Nest, Wohnungen wie die Biene, Biber, Ameise etc.. Allein es produziert nur, was es unmittelbar für sich oder sein Junges bedarf; es produziert einseitig, während der Mensch universell produziert». (MEW 40, 517) Es ist leicht zu sehen, wie Marx hier sein eigenes materialistisches Kriterium untergräbt und in idealistisches Denken zurückfällt: Plötzlich soll nun das menschliche Selbstbewusstsein, d.h. der menschliche Geist der entscheidende Unterschied sein! Abgesehen davon: Wie jede anthropologische Differenz erweist sich auch das Produzieren als ein quantitativer, kein qualitativer Unterschied: Auch Tiere produzieren, wie Marx eingestehen muss, wenn auch nicht «universell».

[23] Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW 40, 516

[24] Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen, MEW 20, 444

[25] Rude 2013, 184

[26] Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW 40, 574

[27] Engels hat in seiner Grabrede für Marx behauptet: «Wie Darwin das Gesetz der Entwicklung der organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte.» (MEW 19, 335) Marx selbst war gegenüber Darwins Kriterien der Variation und Selektion, die letztlich völlig zufällig erfolgen, skeptischer. Die «Selbsterzeugung des Menschen» in seiner Geschichte ist für ihn vielmehr ein «mit Bewusstsein sich aufhebender Entstehungsakt» – hier trägt Marx das Erbe des deutschen Idealismus, insbesondere Hegels. (Vgl. für das Verhältnis zu Darwin: Stedman Jones 2017, 684f.)

[28] Tierrechtsgruppe Zürich 2010

[29] Vgl. Maurizi 2014

[30] Vgl. exemplarisch für die Domestikationsgeschichte der Schweine: Macho 2015

[31] Ich nehme an, dass Marxist*innen mir hier ‹undialektisches› Denken vorwerfen würden; dieser Prozess der menschlichen Abgrenzung von allen anderen Tieren sei eben in einer Art ‹spiralförmigen› Bewegung entstanden, in der sich tierliche Ausbeutung und menschliche Selbstüberhebung gegenseitig bedingt und hochgeschaukelt hätten. Ja – aber wie genau? Maurizi meint, dass Jäger*innen und Sammler*innen noch «grundsätzlich egalitär»  gelebt hätten und sich erst mit der Zeit hierarchische Strukturen (zwischen Menschen sowie zwischen Mensch und ‹Tier›) herausgebildet hätten – erneut scheint unklar, wie dies ohne Hybris hätte geschehen können. (Vgl. Maurizi 2014)

[32] Vgl. Bündnis Marxismus und Tierbefreiung 2017, 21, 24 oder 45

[33] Typische Probleme (die bereits Marx Kopfzerbrechen bereitet haben) sind etwa: Wie ist es möglich, dass wir im Spätkapitalismus ein Justizsystem haben, das an das römische Recht angelehnt ist? Warum werden wir nach wie vor von antiker Kunst und Literatur berührt? Weshalb sind immer noch Leute katholisch wie im Mittelalter? Engels selbst schränkt das Modell in einer berühmten Briefstelle ein: «Nach materialistischer Geschichtsauffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte die Produktion und Reproduktion des wirklichen Lebens. Mehr hat weder Marx noch ich je behauptet. Wenn nun jemand das dahin verdreht, das ökonomische Moment sei das einzig bestimmende, so verwandelt er jenen Satz in eine nichtssagende, abstrakte, absurde Phrase. Die ökonomische Lage ist die Basis, aber die verschiedenen Momente des Überbaus […], die Reflexe […] im Gehirn der Beteiligten, politische, juristische, philosophische Theorien, religiöse Anschauungen […] üben auch ihre Einwirkung auf den Verlauf der geschichtlichen Kämpfe aus». (MEW 37, 463) Aber auch diese «letzte Instanz» und die Metapher der materiellen «Basis» sind m.E. nicht zu retten.

[34] Wie leicht zu sehen ist, stellen sich hier gleich neue Schwierigkeiten ein: Wenn alles Denken, alle Theorie nur ein ‹Überbau› sein soll – von welchem Punkt aus ist dann zu entscheiden, dass der Marxismus das angemessene Denken, alle anderen Ansätze aber bürgerlich und also zu verwerfen sind?

[35] Vgl. Vegan Barometer 2019 von Tier im Fokus (TIF)

[36] Der Begriff «Subjekt eines Lebens» (subject-of-a-life) stammt ursprünglich vom amerikanischen Philosophen und Tierethiker Tom Regan. Subjekte eines Lebens sind für ihn nicht nur Menschen, sondern auch alle anderen nicht-menschlichen Tiere, die ihre Umwelt wahrnehmen, die Sinneseindrücke haben, die merken, was mit ihnen geschieht, mit ihren Körpern, ihrer Freiheit, ihrem Leben per se. Es ist wohl so, dass die allermeisten Menschen sofort anerkennen würden, dass dies auf Wirbeltiere zutrifft – unsere Erfahrung spricht schlicht dafür: Wir sehen, wie Kälbchen auf der Wiese voller Lebenslust in die Luft springen, wir wissen, dass unsere Katze lautstark protestiert, wenn sie versehentlich im Kellerabteil eingesperrt wurde, wir hören das schmerzvolle Jaulen der Hündin, wenn ihre Pfote eingeklemmt wird.

[37] Sezgin 2014, 161

[38] Amir 2018, 156. Sogar Marco Maurizi räumt ein, dass der Veganismus nicht sinnlos ist, sondern die einzige Möglichkeit, eine Gesellschaft ohne Speziesismus bereits jetzt aktiv zu leben, «praktisch zu beweisen, dass sie möglich ist.» (Tierrechtsgruppe Zürich)

Literatur

Amir, Fahim: Schwein und Zeit. Tiere, Politik und Revolte. Edition Nautilus 2018.

Bündnis Marxismus und Tierbefreiung: Thesenpapier. 2017.

Engels, Friedrich: An Joseph Bloch in Königsberg. Marx Engels Werke Bd. 37 (im Folgenden MEW).

Engels, Friedrich: Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen. MEW Bd. 20.

Engels, Friedrich: Das Begräbnis von Karl Marx. MEW Bd. 19.

Engels, Friedrich: Dialektik der Natur. MEW Bd. 20.

Engels, Friedrich: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft. MEW Bd. 19.

Fiddes, Nick: Fleisch. Symbol der Macht. Zweitausendeins 1993.

Macho, Thomas: Schweine. Ein Porträt. Matthes & Seitz 2015.

Marx, Karl: Das Kapital. MEW Bd. 23.

Marx, Karl: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. MEW Bd. 42.

Marx, Karl: Kritik des Gothaer Programms. MEW Bd. 3.

Marx, Karl: Ökonomisch-philosophische Manuskripte. MEW Bd. 40.

Marx, Karl: Thesen über Feuerbach. MEW Bd. 3.

Marx, Karl: Zur Kritik der Politischen Ökonomie. MEW Bd. 13

Marx, Karl / Engels, Friedrich: Die deutsche Ideologie. MEW Bd. 3.

Marx, Karl / Engels, Friedrich: Manifest der kommunistischen Partei. MEW Bd. 4.

Maurizi, Marco: Marxismus und die Versklavung der Natur. In: Theorie um Tierbefreiung. Reader zur Veranstaltungsreihe im Winter 2010/2011. 2012.

Maurizi, Marco: Speziesismus und historischer Materialismus. In: Tierrechtsgruppe Zürich / Verein antidot: Dem Schlachten ein Ende setzen. Marxismus und Tierbefreiung. 2014.

Mütherich, Birgit: Die Problematik der Mensch-Tier-Beziehung in der Soziologie: Weber, Marx und die Frankfurter Schule. LIT 2000.

Rude, Matthias: Antispeziesismus. Die Befreiung von Mensch und Tier in der Tierrechtsbewegung und der Linken. Schmetterling Verlag 2013.

Sezgin, Hilal: Artgerecht ist nur die Freiheit. Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen. C. H. Beck 2014.

Stache, Christian: Marxismus und Tierbefreiung. In: Tierrechtsgruppe Zürich / Verein antidot: Dem Schlachten ein Ende setzen. Marxismus und Tierbefreiung. 2014.

Stedman Jones, Gareth: Karl Marx. Die Biografie. Fischer 2017.

Tier im Fokus (TIF): Vegan ist politisch. Vegan Barometer 2019.

Tierrechtsgruppe Zürich: Interview mit Marco Maurizi. 22. November 2010.

Wild, Markus: Anthropologische Differenz. In: Borgards, Roland (Hg.): Tiere. Kulturwissenschaftliches Handbuch. Metzler 2016.

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1 Kommentar

Matthias Gebhard
vor 2 Jahre

Ein sehr interessanter Artikel mit vielen befenkenswerten und weiterführenden Hinweisen.
Richtig ist zudem gesehen, dass die Tiere nicht solange warten können bis eon vielleicht utopischen Modell sich realisiert.
Denn es kommt auf das Geschenk jedes einzelnen Wesens an.
Viel weiterführender im 19.Jahrhundert schon etwa John Stuart Mill und trotz allem Pessimismus auch Arthur Schopenhauer und natürlich Salt.

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